K7 Anwendungssysteme

Welches sind wichtige Anwendungssysteme?

Andy Weeger

Neu-Ulm University of Applied Sciences

1. Februar 2023

Motivation

Zu den gewaltigen Kosten für die Softwareumstellung als solche kommen jeden Tag neue für Fehlersuche und Problembeseitigung. Ernst Prost (2019), Geschäftsführer der Liqui Moly GmbH in Ulm

Lernergebnisse 🎯

Nach dieser Einheit

  • können Sie den Begriff Anwendungssystem erläutern und vom Begriff Informationssystem abgrenzen,
  • sind Sie in der Lage, betriebliche Anwendungssysteme nach unterschiedlichen Kriterien zu klassifizieren,
  • können Sie beschreiben, wie die Anwendungssystem-Kategorien ERP, CRM, SCM und BI aufgebaut sind und welchem Zweck diese jeweils dienen und
  • sind Sie in der Lage, den Begriff Business Intelligence (BI) zu erläutern und die Komponenten eines BI-Systems zu beschreiben.

Anwendungssysteme

Anwendungssysteme bilden den technischen Teil von Informationssystemen.

Anwendungssysteme bauen auf einer gegebenen Infrastruktur auf und umfassen alle Programme (Anwendungssoftware), die für ein bestimmtes Aufgabengebiet entwickelt und eingesetzt werden sowie der Daten, die erzeugt und genutzt werden (nach Laudon, Laudon, und Schoder 2016, p.15).

Anwendungssysteme enthalten entweder Standardsoftware, die „von der Stange“ gekauft oder aus der Cloud als Software as a Service verwendet werden oder Individualsoftware, die spezifisch für eine Organisation entwickelt wird. Beide Typen müssen in Abstimmung mit den anderen Komponenten eingeführt und zum Informationssystem ausgebaut werden.

Anwendungssysteme werden verkürzt als Anwendung bezeichnet.

Visualisierung

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Komponenten eines Informationssystems nach Alpar u. a. (2019)

Betriebliche Anwendungssysteme

Betriebliche Anwendungssysteme unterstützen die Anwender innerhalb eines Unternehmens bei der Durchführung ihrer Aufgaben.

Anwendungen bilden dabei die Geschäftslogik bzw. die fachlichen Funktionszusammenhänge ab, die durch die Geschäftsprozesse definiert und repräsentiert werden (Alpar u. a. 2019).

In modernen Unternehmen unterstützen und integrieren Anwendungssysteme fast alle Funktionsbereiche und deren Prozesse (horizontale Integration) und stellen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen notwendige Daten zur Entscheidungsfindung, Planung und Kontrolle bereit (vertikale Integration).

Funktionsbereich

Abbildung 2: Beispiele für betriebliche Anwendungssysteme entlang der Wertschöpfungskette (Value Chain)

Organisatorische Ebene

Betriebliche Anwendungssysteme können nach der organisatorischen Ebene, die sie unterstützen, unterteilt werden: Systeme auf der operativen Ebene, Systeme auf der Managementebene und Systeme auf der strategischen Ebene (Laudon, Laudon, und Schoder 2016, 406).

Anwendungssysteme auf operativer Ebene
Führen die grundlegenden, für den Geschäftsbetrieb notwendigen Routinetransaktionen aus, zeichnen diese auf und überwachen diese (bspw. Verkauf, Wareneingang, Geldeingang, Materialverbrauch, etc.).
Anwendungssysteme auf Managementebene
Unterstützen das mittlere Management in den Bereichen Kontrolle, Entscheidungsfindung und Administration.
Strategische Anwendungssysteme
Unterstützen die langfristige Planung des oberen Managements.

Vereinfacht kann zwischen operativen Anwendungssystemen und analytischen Anwendungssystemen unterschieden werden.

Analytische Anwendungssysteme nutzen die von den operativen Systemen erzeugten Daten (evtl. ergänzt um Daten aus anderen Quellen), verdichten und bereiten diese auf (primär in Form von Kennzahlen) und unterstützen damit das Management in der Unternehmensführung und Entscheidungsfindung (Abts und Mülder 2017, 267 ff).

Unterscheidung anhand der Einordnung in die Unternehmenshierarchie

Wichtige Typen

ERP-Systeme

Als Enterprise Resource Planning Systeme (ERP-Systeme) bezeichnet man integrierte betriebswirtschaftliche Standardanwendungssoftware.

Integriert bedeutet, dass sämtliche oder wesentliche Teile der Geschäftsprozesse innerhalb des Unternehmens unterstützt werden (u.a. Beschaffung, Produktion, Vertrieb und Rechnungswesen) und Daten in einer zentralen Datenbank gehalten werden (Abts und Mülder 2017).

ERP-Systeme ermöglichen insbesondere die horizontale Integration.

Die zu den Geschäftsvorfällen erzeugten Daten werden von analytischen Systemen im Sinne der vertikalen Integration genutzt. Teilweise wird diese Funktion auch von den ERP-Systemen selbst übernommen.

Visualisierung

Abbildung 3: Schematischer Aufbau eines ERP-Systems, eigene Darstellung basierend auf Abts und Mülder (2017, 194)

SCM-Systeme

Supply-Chain-Management (SCM) beschreibt die aktive Gestaltung aller Prozesse, um Kunden oder Märkte in Wertschöpfungsketten wirtschaftlich mit Produkten und Dienstleistungen zu versorgen.

SCM-Systeme unterstützen die Geschäftsprozessintegration innerhalb der Wertschöpfungskette zwischen den einzelnen Unternehmen auf den unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen und dem Endkunden (Bächle, Daurer, und Kolb 2021).

SCM-Systeme steuern und optimieren unternehmensübergreifende Informations-, Geld- und Güter- und Dienstleistungsströme und unterstützen damit bei der Gestaltung, Planung und Steuerung von Lieferketten.

Visualisierung

Abbildung 4: Einbettung von SCM-Systemen, eigene Darstellung

CRM-Systeme

Customer-Relationship-Management (CRM) umfasst den Aufbau und die Festigung langfristig profitabler Kundenbeziehungen durch abgestimmte und kundenindividuelle Marketing-, Sales- und Servicekonzepte mithilfe moderner IT.

CRM-Systeme sind Anwendungssysteme, die sämtliche Interaktionen der Unternehmung mit Kunden verfolgen und analysieren, um Umsatz, Rentabilität, Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zu optimieren. Diese Systeme

  • vereinen eine Vielzahl von Einzellösungen aus verschiedenen Unternehmensbereichen
  • lassen in die beiden Teilbereiche operatives CRM und analytisches CRM aufteilen.

In der Regel unterscheidet man zwischen operativen, analytischen und kommunikativen CRM-Systemen

Visualisierung

Abbildung 5: Aufbau und Einbettung von CRM-Systemen, eigene Darstellung

BI-Systeme

Business Intelligence (BI) bezeichnet ein integrierter, IT-basierter Gesamtansatz zur Unterstützung betrieblicher Entscheidungen.

BI-Systeme kombinieren Komponenten für die Beschaffung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten. Zielsetzung ist, neue Erkenntnisse aus bestehenden Daten für bessere Entscheidungen zu gewinnen (Abts und Mülder 2017).

  • BI-Systeme bauen auf einem Data Warehouse1, einer zentralen Datenbank, die aktuelle und historische Daten in aggregierter und mehrdimensionaler Form speichert, auf
  • Die Daten aus dem DW werden in der Regel mittels OLAP analysiert
  • Mittels Data Mining werden die Daten analysiert, um sinnvolle Muster oder Regelmäßigkeiten zu entdecken (bspw. Kaufverhalten der Kunden)

Visualisierung

Abbildung 6: Schematischer Aufbau von BI-Systemen, eigene Darstellung nach Bächle, Daurer, und Kolb (2021) (S. 132)

Kollaborationssysteme

Als Kollaborationssysteme (Collaboration Tools) werden Anwendungssysteme bezeichnet, die die Zusammenarbeit von Personen innerhalb eines Unternehmens (funktionsübergreifend) sowie auch unternehmensübergreifend ermöglichen und verbessern (Abts und Mülder 2017).

Die Zusammenarbeit kann sowohl synchron als auch asynchron erfolgen.

Mittels Kollaborationssysteme sollen Mitarbeiter funktionsübergreifend besser miteinander kommunizieren und das Wissen untereinander teilen.

Beispiele: Office 365, Google Docs, Slack, etc.

Übungen ✏️

Rolle von Anwendungssystemen

Besprechen Sie in der Gruppe die Rolle von operativen und analytischen Anwendungssystemen, deren Aufgaben und in welcher Beziehung diese zueinander stehen. Erläutern Sie die Punkte anhand von möglichst konkreten Beispielen.

Beispiele

Recherchieren Sie im Internet nach konkreten Beispielen für folgende Kategorien an Anwendungssystemen. Erläutern Sie die Funktion des Systems und begründen Sie die Zuordnung.

  • Analytisches Anwendungssystem
  • Standardsoftware
  • Individualsoftware
  • Anwendungssystem für HR
  • Anwendungssystem für Marketing und Sales

SCM

Sie führen ein Unternehmen, das Flugzeugteile herstellt. Sie haben viele Wettbewerber, die versuchen, günstigere Preise und besseren Kundenservice zu bieten. Sie möchten herausfinden, ob Sie von einem SCM-System profitieren können.

Hier finden Sie eine Tabellenkalkulationsdatei mit einer Liste sämtlicher Artikel, die Ihr Unternehmen während der letzten drei Monate bei ihren Lieferanten bestellt hat. Analysieren Sie die Datei und bereiten Sie eine Empfehlung dazu vor, wie die in dieser Tabelle enthaltenen Daten zur Verbesserung des Supply Chain Managements eingesetzt werden können. Sie sollten überlegen, wie Sie bevorzugte Lieferanten oder andere Möglichkeiten zur Verbesserung der Lieferung und Produktion der Produkte identifizieren können.

Erstellen Sie in Excel Berichte, die Ihre Empfehlung unterstützen.

BI

OLAP steht für „Online Analytical Processing“ und erlaubt die mehrdimensionale Abfrage von Daten, die in einem Data Warehouse gespeichert sind. Die Mehrdimensionalität wird üblicherweise anhand eines Datenwürfels (Data Cube; OLAP Cube) veranschaulicht.

Lesen Sie diesen Artikel, erweitern Sie die Abbildung des OLAP Cubes um konkrete Beispiele je Dimension und zeichnen Sie je einen Würfel, um die Operationen Slicing und Dicing zu visualisieren. Erläutzern Sie dne Nutzen dieser Operationen.

Als Ergänzung können Sie auch folgendes Video anschauen.

CRM

Salesforce ist einer der erfolgreichsten Anbieter von betrieblichen Anwendungssystemen als SaaS und aktuell weltweit führend in cloud-basierten CRM-Systemen.

Recherchieren Sie hier nach einer für Sie interessanten Fallstudie zum Einsatz von Salesforce. Lesen Sie diese durch und beschreiben Sie anschließend in eigenen Worten, welche Funktionen des CRM-Systems dem Unternehmen helfen, erfolgreicher zu sein.

Ordnen Sie die Funktionen, die Sie identifiziert haben den drei Ebenen von CRM-Systemen zu (operativ, kommunikativ, analytisch).

Literatur 📚

Abts, D., und W. Mülder. 2017. Grundkurs Wirtschaftsinformatik: Eine kompakte und praxisorientierte Einführung. Springer Fachmedien Wiesbaden.
Alpar, Paul, Heinz Lothar Grob, Peter Weimann, und Robert Winter. 2019. Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik. Springer Vieweg, Wiesbaden.
Bächle, Michael A, Stephan Daurer, und Arthur Kolb. 2021. Einführung in die Wirtschaftsinformatik. De Gruyter Oldenbourg.
Laudon, Kenneth C, Jane Price Laudon, und Detlef Schoder. 2016. Wirtschaftsinformatik: Eine Einführung. Pearson Deutschland GmbH.

Fußnoten

  1. Teilbereiche des DW werden als Data Mart bezeichnet. Sie werden primär zur Steigerung der Performance eingerichtet (z. B. Data Mart für den Vertrieb)