K11 Geschäftsmodelle

Wie verändert sich die Logik von Unternehmen, Wert zu erzeugen?

Andy Weeger

Neu-Ulm University of Applied Sciences

1. Februar 2023

Motivation

Information technology is at the core of how you do your business and how your business model itself evolves. Stya Nadella (2016), CEO von Microsoft

Lernergebnisse 🎯

Nach dieser Einheit können Sie

  • den Begriff Geschäftsmodell erläutern und diesen in das Business Engineering-Modell einordnen,
  • die wesentlichen Dimensionen eines Geschäftsmodells nennen und diese anhand von Beispielen erläutern,
  • die wesentlichen Treiber hinter digitalen Geschäftsmodellen nennen,
  • die zunehmende Relevanz digitaler Geschäftsmodelle anhand dieser Treiber zeigen,
  • und wesentliche Muster digitaler Geschäftsmodelle identifizieren.

Einleitung

Business Engineering

Zur Wiederholung und Einordnung: Unter Business Engineering versteht man die ingenieurmäßige Vorgehensweise bei der Gestaltung eines Unternehmens.

Business Engineering überspannt den kompletten Prozess von der Strategiefindung und der Ableitung von Geschäftsmodellen bis zur optimalen Gestaltung der Abläufe sowie zugehöriger Anwendungssysteme (Abts und Mülder 2017; Leimeister 2021).

Das Business Engineering Modell kann somit um die Ebene des Geschäftsmodells ergänzt werden (Al-Debei und Avison 2010).

Geschäftsmodell

Definition

Ein Geschäftsmodell beschreibt die grundlegende Logik, mit der ein Unternehmen zusammen mit ihren Lieferanten und Partnern Wert für Kunden erzeugt und Gewinne erzielt (Teece 2010).

Ein Geschäftsmodell ist digital, wenn Veränderungen digitaler Technologien mit fundamentalen Auswirkungen auf die Logik der Wertgenerierung sowie auf die erzielten Einnahmen eines Unternehmens einhergehen (Veit u. a. 2014).

Geschäftsmodelle haben vier wesentliche Dimensionen: das Wertversprechen (value proposition), die Wertschöpfungsarchitektur (value architecture), das Partnernetzwerk (value network) und das Ertragsmodell (value finance).

Visualisierung

Abbildung 1: Einbettung des Geschäftsmodells in das Business Engineering Modell

Innovation

Als Geschäftsmodellinnovation werden bewusst gestaltete, neuartige, nicht-triviale Änderungen am Geschäftsmodell eines Unternehmens, also den Elementen und/oder deren Zusammenspiel, bezeichnet (Foss und Saebi 2017).

Geschäftsmodellinnovationen werden sowohl von extern (z. B. durch neue Technologien) und/oder intern (z.B. durch neue Strategien) ermöglicht und angetrieben.

Wettbewerb

Der Wettbewerb wird in Zukunft nicht zwischen Produkten und Prozessen stattfinden, sondern zwischen Geschäftsmodellen (Gassmann, Frankenberger, und Csik 2013, p. 4)

Treiber

Viele Firmen, die lange Jahre für ihre innovativen Produkte und Prozesse bekannt waren, haben in den vergangenen Jahren plötzlich ihren Wettbewerbsvorteil verloren (Gassmann, Frankenberger, und Csik 2013).

Dies liegt oft daran, dass die Unternehmen es versäumt haben, ihr Geschäftsmodell an die sich ändernden Umweltbedingungen des digitalen Zeitalters anzupassen (Matzler, Bailom, und Eichen 2016):

  • Intangibilisierung und Grenzauflösung (Ort, Zeit, Ressourcenzugriff)
  • Sinkende Grenz- und Transaktionskosten
  • Zunehmende Personalisierungsmöglichkeiten

Muster

Definition

Muster sind hinreichend abstrakte Varianten zur Lösung genereller Problemstellungen, die für einen konkreten Fall konkretisiert und auf den jeweiligen Kontext angepasst werden müssen.

Bei Geschäftsmodellmustern oder -typen handelt es sich im Wesentlichen um generelle Beschreibungen der Funktionsweisen von Geschäftsmodellen, deren Ausgestaltung in den Dimensionen sowie deren Zusammenwirken ähnlich ist.

Gassmann, Frankenberger, und Csik (2013) haben in ihrem Business Model Navigator 55 Muster von Geschäftsmodellen identifiziert. Einige wenige wesentliche Muster sind im Folgenden vorgestellt.

Digital Commerce Platform

Plattformstrategien gehören zu den erfolgreichsten Mustern der digitalen Wirtschaft. Sie bringen auf einer Plattform unterschiedliche Nutzergruppen zusammen, die dort miteinander interagieren. Auf einer Digital Commerce Platform werden wie auf einem Marktplatz Waren und Dienstleistungen angeboten.

Beispiele

  • Amazon: Webshop sowie B2C und B2B Marketplace mit eigener Logistik (teilweise inkl. der last Mile)
  • About You: Online Fashion Retailer, der sowohl selbst verkauft als auch die Technologie-Plattform und das Fulfillment anbietet

Peer-to-peer Platform

Als Peer-to-peer werden meist Transaktionen zwischen Privatleuten bezeichnet (bspw. Verleih von Gegenständen oder Verkauf von Dienstleistungen oder Informationen). Das Unternehmen fungiert dabei als eine Art Mittler, welcher für die sichere und effiziente Abwicklung der Transaktion verantwortlich ist.

Beispiele

  • shpock: Online-Marktplatz für den privaten Kauf/Verkauf von Dingen in der (unmittelbaren) Umgebung
  • Etsy: E-Commerce Plattform für den Kauf und Verkauf von handgemachten Produkten, Vintage und Künstlerbedarf

Digital Services

Dieses Muster beschreibt, dass Produkte vollständig digitalisiert werden und ausschließlich über digitale Kanäle „on-demand“ bereitgestellt werden.

Bei diesem Muster bietet ein Unternehmen ein Basisprodukt oft kostenlos („free“) oder zu reduzierten Preisen an. Das Unternehmen monetarisiert dann die Daten der Nutzer und/oder bietet erweiterte Services zu höheren Preisen an („premium“)

Beispiele

  • Udemy: Online-Lernplattform für Massive Open Online Courses (MOOCs); Alternative: LinkedIn Learning
  • N26: Deutsche Direktbank, die sich auf das mobile Banking spezialisiert hat und keine physischen Filialen betreibt

Physical-digital Ecosystem

In diesem Geschäftsmodellmuster bieten Unternehmen physische Produkte oder klassische Dienstleistungen an, die um digitale Dienstleistungen ergänzt werden („value-add Services“)

Beispiele

  • Apple: Hard- und Software-Hersteller, verbindet Hardware und Dienste zu einem geschlossenen hybriden Ökosystem
  • TESLA: Kombiniert Elektrifizierungs-Produkte mit ergänzenden (digitalen) Services (bspw. Autopilot,Supercharger-Netzwerk)

Übungen ✏️

Grundbegriffe

Erläutern Sie in der Kleingruppe reihum die Bedeutung der folgenden Begriffe.

  • Business Engineering
  • Strategie
  • Geschäftsmodell
  • Digitales Geschäftsmodell
  • Partnernetzwerk
  • Grenzkosten
  • Transaktionskosten

Geschäftsmodellmuster

Stellen Sie sich gegenseitig die Geschäftsmodellmuster vor, die im Skript beschrieben sind (jeweils einer erklärt der Gruppe ein Muster).

  • Überlegen Sie je Muster, ob Besonderheiten hinsichtlich der Ausgestaltung des Partnernetzwerkes erkennbar sind.
  • Beschreiben Sie, welche digitale Technologien und/oder Organisationsformen, die die Digitalisierung ermöglicht, für das Geschäftsmodell entscheidend sind.
  • Finden Sie jeweils min. ein weiteres Beispiel.

Digitale Geschäftsmodelle

Beschreiben Sie das Geschäftsmodell von WhatsApp oder Peleton. Nutzen Sie hierfür mindestens die in der Vorlesung vorgestellten typischen Elemente (Werteversprechen, Wertschöpfungsarchitektur, Partnernetzwerk, Ertragsmodell).

Können Sie das Geschäftsmodell einem der vorgestellten Muster zuordnen?

Wiederholung

Arbeiten Sie sich durch die Vorlesungsinhalte (Skripte, Notizen, Übungsblätter, Big Pictures) und identifizieren Sie Verständnislücken. Posten Sie Ihre Verständnisfragen auf Moodle, damit wir möglichst viele davon in der abschließenden Vorlesung diskutieren können.

Literatur 📚

Abts, D., und W. Mülder. 2017. Grundkurs Wirtschaftsinformatik: Eine kompakte und praxisorientierte Einführung. Springer Fachmedien Wiesbaden.
Al-Debei, Mutaz M, und David Avison. 2010. „Developing a unified framework of the business model concept“. European journal of information systems 19 (3): 359–76.
Foss, Nicolai J, und Tina Saebi. 2017. „Fifteen years of research on business model innovation: How far have we come, and where should we go?“ Journal of management 43 (1): 200–227.
Gassmann, Oliver, Karolin Frankenberger, und Michaela Csik. 2013. „The St. Gallen business model navigator“.
Leimeister, Jan Marco. 2021. Einführung in die Wirtschaftsinformatik. Springer Gabler Berlin Heidelberg.
Matzler, Kurt, Franz Bailom, und Stephan Friedrich von den Eichen. 2016. Digital Disruption: Wie Sie Ihr Unternehmen auf das digitale Zeitalter vorbereiten. Vahlen.
Teece, David J. 2010. „Business models, business strategy and innovation“. Long range planning 43 (2-3): 172–94.
Veit, Daniel, Eric Clemons, Alexander Benlian, Peter Buxmann, Thomas Hess, Dennis Kundisch, Jan Marco Leimeister, Peter Loos, und Martin Spann. 2014. „Geschäftsmodelle—eine Forschungsagenda für die Wirtschaftsinformatik“. Wirtschaftsinformatik 56 (1): 55–64.