Informationssysteme (E4)

Welche Rolle spielen betriebliche Informationssysteme?

Andy Weeger

Neu-Ulm University of Applied Sciences

15. August 2025

Motivation

Information is the resolution of uncertainty. Claude Shannon, American Mathematican (1916-2001)

Lernergebnisse 🎯

Nach dieser Einheit können Sie

  • allgemein beschreiben, was ein System und was ein Modell ist,
  • im Speziellen erläutern, was ein Informationssystem ist und aus welchen Komponenten es besteht,
  • zeigen, dass ein Informationssystem ein sozio-technisches System ist,
  • erläutern, welche Aufgaben Informationssysteme im Unternehmen haben und welche Ziele verfolgt werden sowie
  • anhand des Business Engineering Modells zeigen, wie Informationssysteme im Unternehmen eingebettet sind.

Informationssysteme

Definition

Bei Informationssystemen handelt es sich um soziotechnische („Mensch-Aufgabe-Technik-“) Systeme1 (Krcmar, 2015, p. 8).

Informationssysteme werden entwickelt, betrieben und genutzt, um spezifische Aufgaben zu erfüllen (bspw. Produkte online zu verkaufen) und die notwendigen Informationen zu bereitzustellen und zu verarbeiten.

Informationssysteme enthalten die dafür notwendige Technologie (insbesondere Hard- und Software) und Daten. Darüber hinaus umfassen Informationssysteme auch die Organisationsstrukturen, in die sie eingebettet sind und die Menschen, die mit ihnen arbeiten (Krcmar, 2015, p. 8; Laudon et al., 2016, p. 14-15).

Betriebliche Informationssysteme bilden die Basis für effektives und effizientes Informationsmanagement im (digitalen) Unternehmen.

Informations- und Anwendungssysteme

Informationssysteme umfassen in der Regel ein oder mehrere Anwendungssystemen (Anwendungssoftware).

Anwendungssysteme2 können “von der Stange” gekauft oder aus der Cloud als Software as a Service verwendet werden. Diese müssen dann aber in Abstimmung mit den anderen Komponenten eingeführt und zum Informationssystem ausgebaut werden.

Systeme lassen sich nicht immer klar als Anwendungssystem oder als Informationssystem charakterisieren. Es existieren Anwendungssysteme, die kaum losgelöst von der Organisation, in der sie verwendet werden, betrachtet werden können.

Die Begriffe Informationssystem und Anwendungssystem werden deshalb in der Praxis oft synonym verwendet.

Visualisierung

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Komponenten eines Informationssystems nach Alpar et al. (2019)

Aufgaben

Informationssysteme sammeln, verarbeiten, speichern und verteilen Daten und Informationen, um die Entscheidungsfindung, Koordination, Steuerung und Kontrolle im Unternehmen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (Laudon et al., 2016, S. p.15).

Informationssysteme wandeln durch Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe Rohdaten in nützliche Informationen um tragen damit zur Wertschöpfung bei bzw. ermöglichen diese.

Informationssysteme sind für Unternehmen unentbehrlich geworden, sie sind entscheidend, um effizienter und konkurrenzfähiger zu werden (optimierte Kommunikation und Zusammenarbeit, bessere Entscheidungen, effizientere Geschäftsprozesse, Grundlage für neue Produkte und Dienstleistungen, etc.).

Ziele

Informationssysteme werden in Unternehmen eingesetzt, um

  • bei der Planung, Steuerung und Kontrolle zu unterstützen,
  • Geschäftsprozesse zu beschleunigen,
  • Qualität der Produkte und des Kundenservices zu verbessern,
  • neue Organisationsformen zu ermöglichen (bspw. flache Hierarchien),
  • Kosten einsparen zu (bspw. durch Automatisierung) und
  • strategische Wettbewerbsvorteile erzielen zu können

Einbettung

Abhängigkeiten

Informationssysteme sind in Unternehmen verwurzelt und ergeben sich insbesondere aus der Strategie und den Arbeitsabläufen eines Unternehmens und beeinflussen diese.

Deshalb müssen Informationssysteme und vorhandene Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen eines Unternehmens wechselseitig angepasst werden.

Diese wechselseitige Anpassung ist Voraussetzung dafür, dass die eingesetzten Anwendungssysteme als Teil der Informationssysteme von den Menschen bedient und verstanden werden.

Business Engineering Modell

Das Business Engineering Modell unterstützt die Gestaltung und Veränderung von Unternehmen im digitalen Zeitalter.

Das Modell unterscheidet hierbei drei Gestaltungsebenen eines Unternehmens: Strategie, Prozesse und Systeme (Österle, 2007, S. p.14).

Die Strategieebene erarbeitet die Frage nach dem «Was?», die Prozessebene nach dem «Wie?» und die Systemebene nach dem «Womit?».

In erfolgreichen Unternehmen unterstützen sich die Ebenen wechselseitig: die übergeordnete Ebene definiert jeweils Anforderungen an die untergeordnete Ebene, diese wiederum unterstützt die übergeordnete Ebene (Österle, 2007).

Gestaltungsebenen

Strategieebene

Die gewünschte Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb (bspw. Geschäftsfelder, Kundensegmente, Produkte und Dienstleistungen, Vertriebswege) wird festgelegt und entsprechende Ziele definiert.

Prozessebene

Basierend auf der Strategie werden Organisationsstrukturen und Abläufe (u.a. Verantwortlichkeiten, Berichtswege, Aktivitäten und Abläufen, Informationsbedarfe und -flüsse) so gestaltet, dass diese das Erreichen der strategischen Ziele ermöglichen.

Systemebene

Die Architektur der Informationssysteme und deren Komponenten (u.a., Hardware, Softwarekomponenten und Datenstrukturen) wird so gestaltet, dass diese die Prozessebene ideal unterstützen.

Visualisierung

Abbildung 3: Das Business Engineering Modell nach Österle (2007)

Übungen ✏️

Modellierung

Die Campus-Karte der HNU ermöglicht es ihnen, in der Mensa und Cafeteria zu bezahlen, Druckerguthaben aufzuladen, Spinde zu öffnen und vieles mehr.

Modellieren Sie das Informationssystem “Campus-Karte” anhand der vier Komponenten eines betrieblichen Informationssystems:

  • Mensch — Wer sind die Akteure? (Nutzer, Betreiber, etc.)
  • Aufgabe — Welche betrieblichen Problemstellungen werden gelöst?
  • Informationstechnik — Welche Hard- und Software ist beteiligt?
  • Organisatorischer Kontext — In welche organisatorischen Strukturen ist das System eingebettet?
  • Visualisieren Sie Ihr Modell (bspw. in Miro).

Business Engineering

Analysieren Sie das Campus-Karten-System anhand des Business Engineering Modells auf allen drei Ebenen:

  • Strategie (Was?) — Welche strategischen Ziele der HNU werden unterstützt?
  • Prozesse (Wie?) — Welche Prozesse werden durch das System ermöglicht/verändert?
  • Informationssysteme (Womit?) — Welche Informationssysteme werden eingesetzt?

Übelegen Sie zudem, wie sich die Ebenen wechselseitig unterstützen.

  • Beispiel: Wie definiert die Strategie Anforderungen an die Prozesse?
  • Beispiel: Wie ermöglichen/beschränken die Systeme die Prozesse?

Operativ und strategisch

Das Campus-Karten-System unterstützt die HNU auf verschiedenen Ebenen:

  • Operative Ebene: Tägliche Abläufe, wiederkehrende Transaktionen, kurzfristige Effizienz
  • Strategische Ebene: Langfristige Ziele, Wettbewerbsvorteile, grundlegende Veränderungen

Wir diskutieren im Plenum folgende Fragestellungen:

  • Was sind operative Funktionen des Campus-Karten-Systems?
    • Welche täglichen Prozesse werden unterstützt?
    • Wie trägt das System zur Effizienz bei?
  • Was sind strategische Funktionen des Campus-Karten-Systems?
    • Welche langfristigen Ziele werden unterstützt?
    • Welche strategischen Vorteile entstehen?
  • Kann ein IS gleichzeitig operativ und strategisch sein?

Modellvergleich

Verschiedene Stakeholder möchten das Campus-Karten-System verstehen oder verändern. Überlegen Sie: Welches Modell bzw. welche Abstraktionsebene brauchen folgende Personen?

Stakeholder Zweck Was sollte das Modell abbilden?
Hochschulleitung Entscheidung über Investition in neue Campus-Card-Generation ?
IT-Abteilung Technische Wartung und Weiterentwicklung ?
Mensa-Personal Tägliche Nutzung ?
Studierende Nutzung des Systems ?
Datenschutzbeauftragter Compliance prüfen ?

Erfolgsfaktoren

Was macht das Campus-Karten-System erfolgreich bzw. nicht erfolgreich?

IS Success Model (DeLone & McLean, 2003)

Das IS Success Model ist eine wissenschaftliche Theorie, die erklärt, welche Faktoren den Erfolg von Informationssystemen bestimmen und wie diese Faktoren zusammenhängen.

Die sechs Erfolgsdimensionen:

  1. System Quality (Systemqualität) — Technische Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Antwortzeit, Benutzerfreundlichkeit
  2. Information Quality (Informationsqualität) — Genauigkeit, Vollständigkeit, Aktualität und Relevanz der bereitgestellten Informationen
  3. Service Quality (Servicequalität) — Qualität des Supports, Schulungen, Reaktionsfähigkeit bei Problemen
  4. Use / Intention to Use (Nutzung) — Wie häufig und intensiv wird das System genutzt?
  5. User Satisfaction (Nutzerzufriedenheit) — Wie zufrieden sind die Nutzer mit dem System?
  6. Net Benefits (Nettonutzen) — Welche positiven Effekte hat das System für Individuen und Organisation?

Zentrale Aussagen der Theorie:

  • Hohe Qualität (System, Information, Service) führt zu höherer Nutzung und Zufriedenheit
  • Nutzung und Zufriedenheit beeinflussen sich gegenseitig
  • Beide führen zu positiven Effekten (Net Benefits)
  • Die Theorie ermöglicht Vorhersagen: “Wenn wir die Servicequalität verbessern, wird die Nutzerzufriedenheit steigen”

Das Modell wurde in hunderten empirischen Studien getestet und ist eine der meistzitierten Theorien der Wirtschaftsinformatik.

IS Success Model

Untersuchen Sie die Erfolgsfaktoren des Campus-Karten-Systems anhand des IS Success Models:

  • Bewerten Sie jede Dimension (1-5 ⭐)
  • Begründen Sie Ihre Bewertung mit konkreten Beispielen
  • Erklären Sie die kausalen Zusammenhänge:
    • Wie beeinflussen die Qualitätsdimensionen die Nutzung und Zufriedenheit?
    • Welche Dimension ist besonders kritisch für den Erfolg?
  • Schlagen Sie vor, wo Verbesserungen den größten Erfolg bringen würden

Literatur 📚

Alpar, P., Grob, H. L., Weimann, P., & Winter, R. (2019). Anwendungsorientierte Wirtschaftsinformatik. Springer Vieweg, Wiesbaden.
DeLone, W. H., & McLean, E. R. (2003). The DeLone and McLean model of information systems success: a ten-year update. Journal of management information systems, 19(4), 9–30.
Krcmar, H. (2015). Einführung in das Informationsmanagement. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg.
Laudon, K. C., Laudon, J. P., & Schoder, D. (2016). Wirtschaftsinformatik: Eine Einführung. Pearson Deutschland GmbH.
Leimeister, J. M. (2021). Einführung in die Wirtschaftsinformatik. Springer Gabler Berlin Heidelberg.
Österle, H. (2007). Business Engineering-Geschäftsmodelle transformieren. Architekturen und Prozesse: Strukturen und Dynamik in Forschung und Unternehmen, 71–84.

Fußnoten

  1. Soziotechnische Systeme sind Systeme, die sowohl menschliche, organisatorische und maschinelle Komponenten umfassen.

  2. Ein Anwendungssystem ist ein System, das alle Programme (Anwendungssoftware) beinhaltet, die für ein bestimmtes Aufgabengebiet entwickelt und eingesetzt werden, inkl. der IT-Infrastruktur, auf der die Anwendungssoftware läuft, und der Daten, die erzeugt und genutzt werden (nach Laudon et al., 2016, S. p.15).