Motivation
Information is the resolution of uncertainty. Claude Shannon, American Mathematican (1916-2001)
Bislang haben wir gelernt, dass Informationen im digitalen Zeitalter essenziell sind und dass Unternehmen Angebot, Nachfrage und Verwendung von Informationen aktiv gestalten müssen. Hierzu dienen Informationssysteme, die wiederum Informationstechnologie nutzen. In diesem Kapitel schauen wir uns genauer an, was Informationssysteme sind und wie diese in das Unternehmen eingebettet sind.
Lernergebnisse 🎯
Nach dieser Einheit können Sie
- allgemein beschreiben, was ein System und was ein Modell ist,
- im Speziellen erläutern, was ein Informationssystem ist und aus welchen Komponenten es besteht,
- zeigen, dass ein Informationssystem ein sozio-technisches System ist,
- erläutern, welche Aufgaben Informationssysteme im Unternehmen haben und welche Ziele verfolgt werden sowie
- anhand des Business Engineering Modells zeigen, wie Informationssysteme im Unternehmen eingebettet sind.
Informationssysteme
Definition
Bei Informationssystemen handelt es sich um soziotechnische („Mensch-Aufgabe-Technik-“) Systeme1 (Krcmar 2015, p. 8).
Informationssysteme werden entwickelt, betrieben und genutzt, um spezifische Aufgaben zu erfüllen (bspw. Produkte online zu verkaufen) und die notwendigen Informationen zu bereitzustellen und zu verarbeiten.
Informationssysteme enthalten die dafür notwendige Technologie (insbesondere Hard- und Software) und Daten. Darüber hinaus umfassen Informationssysteme auch die Organisationsstrukturen, in die sie eingebettet sind und die Menschen, die mit ihnen arbeiten (Krcmar 2015, p. 8; Laudon, Laudon, und Schoder 2016, p. 14-15).
Betriebliche Informationssysteme bilden die Basis für effektives und effizientes Informationsmanagement im (digitalen) Unternehmen.
Als System wird etwas bezeichnet, das aus verschiedenen Komponenten mit unterschiedlichen Eigenschaften besteht, die aufgrund bestimmter geordneter Beziehungen untereinander als gemeinsames Ganzes betrachtet werden (können) und damit von ihrer Umwelt (anderen Systemen) abgrenzbar sind. Ein Element eines Systems kann ebenfalls ein System sein — dieses wird dann als Subsystem bezeichnet (Alpar u. a. 2019, p. 15).
Informations- und Anwendungssysteme
Ein Informationssystem ist immer ein für eine spezifische Organisation (bspw. ein Unternehmen) individuelles System. Das bedeutet, dass es für die in dieser Organisation gegebenen spezifischen Rahmenbedingungen konstruiert wurde und nur in der gegebenen Organisation die volle Wirkung entfalten kann. Deshalb kann ein Informationssystem auch nicht einfach gekauft werden, sondern muss individuell entwickelt und angepasst werden (Laudon, Laudon, und Schoder 2016, p.15).
Informationssysteme umfassen in der Regel ein oder mehrere Anwendungssystemen (Anwendungssoftware).
Anwendungssysteme2 können “von der Stange” gekauft oder aus der Cloud als Software as a Service verwendet werden. Diese müssen dann aber in Abstimmung mit den anderen Komponenten eingeführt und zum Informationssystem ausgebaut werden.
Systeme lassen sich nicht immer klar als Anwendungssystem oder als Informationssystem charakterisieren. Es existieren Anwendungssysteme, die kaum losgelöst von der Organisation, in der sie verwendet werden, betrachtet werden können.
Die Begriffe Informationssystem und Anwendungssystem werden deshalb in der Praxis oft synonym verwendet.
Visualisierung
Ein betriebliches Informationssystem verarbeitet Informationen (Input –> Output) und besteht aus folgenden Komponenten.
- Mensch: Aufgabenträger und Benutzer des Informationssystems
- Aufgabe: zu lösende betriebliche Problemstellung
- Informationstechnik: Hard- und softwaretechnische Umsetzung des Informationssystems
- Organisatorischer Kontext: betriebliche Umwelt, in die das Informationssystem integriert wird
Aufgaben
Informationssysteme sammeln, verarbeiten, speichern und verteilen Daten und Informationen, um die Entscheidungsfindung, Koordination, Steuerung und Kontrolle im Unternehmen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (Laudon, Laudon, und Schoder 2016, p.15).
Informationssysteme wandeln durch Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe Rohdaten in nützliche Informationen um tragen damit zur Wertschöpfung bei bzw. ermöglichen diese.
Informationssysteme sind für Unternehmen unentbehrlich geworden, sie sind entscheidend, um effizienter und konkurrenzfähiger zu werden (optimierte Kommunikation und Zusammenarbeit, bessere Entscheidungen, effizientere Geschäftsprozesse, Grundlage für neue Produkte und Dienstleistungen, etc.).
Ziele
Informationssysteme werden in Unternehmen eingesetzt, um
- bei der Planung, Steuerung und Kontrolle zu unterstützen,
- Geschäftsprozesse zu beschleunigen,
- Qualität der Produkte und des Kundenservices zu verbessern,
- neue Organisationsformen zu ermöglichen (bspw. flache Hierarchien),
- Kosten einsparen zu (bspw. durch Automatisierung) und
- strategische Wettbewerbsvorteile erzielen zu können
Einbettung
Abhängigkeiten
Informationssysteme sind in Unternehmen verwurzelt und ergeben sich insbesondere aus der Strategie und den Arbeitsabläufen eines Unternehmens und beeinflussen diese.
Deshalb müssen Informationssysteme und vorhandene Geschäftsprozesse und Organisationsstrukturen eines Unternehmens wechselseitig angepasst werden.
Diese wechselseitige Anpassung ist Voraussetzung dafür, dass die eingesetzten Anwendungssysteme als Teil der Informationssysteme von den Menschen bedient und verstanden werden.
Business Engineering Modell
Das Business Engineering Modell unterstützt die Gestaltung und Veränderung von Unternehmen im digitalen Zeitalter.
Das Modell unterscheidet hierbei drei Gestaltungsebenen eines Unternehmens: Strategie, Prozesse und Systeme (Österle 2007, p.14).
Die Strategieebene erarbeitet die Frage nach dem «Was?», die Prozessebene nach dem «Wie?» und die Systemebene nach dem «Womit?».
In erfolgreichen Unternehmen unterstützen sich die Ebenen wechselseitig: die übergeordnete Ebene definiert jeweils Anforderungen an die untergeordnete Ebene, diese wiederum unterstützt die übergeordnete Ebene (Österle 2007).
In der Praxis wird oftmals nicht direkt an einem Gegenstand, sondern mit einer Abbildung des Gegenstands gearbeitet. Eine solche Abbildung ist das Ergebnis eines Konstruktionsprozesses, das die Wahrnehmung von Inhalten eines ausgewählten Gegenstands zweckorientiert repräsentiert und wird als Modell bezeichnet.
In Modellen wie dem Business Engineering Modell werden die Eigenschaften eines Systems weggelassen, die für den Zweck als nicht relevant angesehen werden. Ein solches Modell dient dazu, das zu analysierende System besser zu verstehen, zu steuern und experimentell verändern zu können, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Gestaltungsebenen
- Strategieebene
-
Die gewünschte Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb (bspw. Geschäftsfelder, Kundensegmente, Produkte und Dienstleistungen, Vertriebswege) wird festgelegt und entsprechende Ziele definiert.
- Prozessebene
-
Basierend auf der Strategie werden Organisationsstrukturen und Abläufe (u.a. Verantwortlichkeiten, Berichtswege, Aktivitäten und Abläufen, Informationsbedarfe und -flüsse) so gestaltet, dass diese das Erreichen der strategischen Ziele ermöglichen.
- Systemebene
-
Die Architektur der Informationssysteme und deren Komponenten (u.a., Hardware, Softwarekomponenten und Datenstrukturen) wird so gestaltet, dass diese die Prozessebene ideal unterstützen.
Die Unternehmensstrategie definiert die Anforderungen an die Geschäftsprozesse und die verwendeten Informationssysteme eines Unternehmens. Sie leitet damit das Handeln der Organisation und ihrer Akteure.
Unter Unternehmensstrategie wird die Festlegung der grundlegenden langfristigen Ziele eines Unternehmens sowie der Handlungsoptionen, die zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sind, verstanden. Zudem werden im Rahmen der Unternehmensstrategie die Zuweisung der verfügbaren Ressourcen durchgeführt (Ressourcen-Allokation; bspw. Investitionsmittel).
Strategie richtet den Blick immer nach Außen und versucht, die im externen Umfeld vorhandenen, Chancen und Risiken mit den Fähigkeiten und Ressourcen des Unternehmens in Einklang zu bringen (Chandler 1969).
Visualisierung
Übungen ✏️
Modellierung
Erklären Sie sich gegenseitig, was man in der Wissenschaft unter Modellierung versteht und welche Vorteile dieser Ansatz bietet.
Suchen Sie zudem ein anschauliches Beispiel, auf das Sie Abbildung 2 anwenden und die Inhalte erläutern können.
Informationssystem
Beim Kauf einer Fahrkarte für die Deutsche Bahn (DB) über das Internet kommt ein Informationssystem zum Einsatz. Beschreiben Sie dieses Informationssystem. Gehen Sie insbesondere auf die Aufgaben, Komponenten und deren (geordnete) Beziehungen ein.
Diskutieren Sie die Vorteile dieses digitalen Informationssystems für die DB und die Kunden im Vergleich zu einem analogen System, das noch bis spät im vergangenen Jahrhundert den Kauf einer Fahrkarte an einem Schalter unterstützt hat.
Welche (technologischen) Entwicklungen ermöglichen dieses Informationssystem und führen dazu, dass es von Kunden genutzt wird?
Business Engineering
Vergleichen Sie anhand der Gestaltungsebenen des Business Engineering Modells das Unternehmen Uber mit dem Unternehmen Ulm-Taxi, einem klassischen Taxi-Unternehmen.
- Worin unterscheiden sich die Unternehmen hinsichtlich Strategie, Organisation/Geschäftsprozesse und genutzten Informationssystemen?
- Welche Prozesse unterstützt die Informationssysteme, die Uber einsetzt?
- Welche Komponenten umfassen diese Informationssysteme?
- Welche Informationen werden von diesen Informationssystemen verarbeitet?
- Welche Bedeutung haben diese Informationen für die Wertschöpfung von Uber?
- In welchem Unternehmen würden Sie gerne arbeiten? Weshalb?
Strategisch und operativ
Informationssysteme unterstützen sowohl die strategische als auch die operative Ebene im Unternehmen.
- Operativ ist etwas, das dazu beiträgt, dass die Dinge heute reibungslos funktionieren, und das ständige Aufmerksamkeit erfordert.
- Strategisch ist etwas, das für einen längeren Zeitraum definiert und oft weniger greifbar, aber dennoch sehr wichtig ist.
Recherchieren Sie zu den Begriffen strategisches und operatives Management und grenzen Sie diese voneinander ab. Geben Sie jeweils ein Beispiel, wie Informationssysteme operatives und strategisches Management unterstützen können.
Lernkontrolle 🧐
Beschreiben Sie kurz, was nach dem Verständnis der Wirtschaftsinformatik ein betriebliches Informationssystem ist.
Weshalb sind Informationssysteme sozio-technische Systeme?
Zur Verwaltung der Prüfungen und Noten an der HNU wird ein Informationssystem eingesetzt. Zeigen Sie anhand dieses Beispiels vier wesentliche Komponenten eines betrieblichen Informationssystems, sowie dessen Aufgaben und Ziele.
Betriebliche Informationssysteme können strategische und operative Ziele unterstützen. Geben Sie jeweils ein Beispiel für ein Ziel und beschreiben Sie, wie ein Informationssystem die Zielerreichung unterstützen kann.
Neben betrieblichen Informationssystemen wie dem CRM beschreibt das Business Engineering Modell nach Oesterle (2010) zwei weitere Gestaltungsebenen. Nennen Sie diese und beschreiben Sie, wie die drei Ebenen in Beziehung stehen.
Beschreiben Sie, was ein System und was ein Modell ist. Wozu dient ein Modell?
Literatur 📚
Fußnoten
Soziotechnische Systeme sind Systeme, die sowohl menschliche, organisatorische und maschinelle Komponenten umfassen.↩︎
Ein Anwendungssystem ist ein System, das alle Programme (Anwendungssoftware) beinhaltet, die für ein bestimmtes Aufgabengebiet entwickelt und eingesetzt werden, inkl. der IT-Infrastruktur, auf der die Anwendungssoftware läuft, und der Daten, die erzeugt und genutzt werden (nach Laudon, Laudon, und Schoder 2016, p.15).↩︎